Warum wir »Störtebeker & Konsorten« vermissen werden

Sonderausstellungen als Kompetenzkatapult: Die jüngst zu Ende gegangene Ausstellung »Störtebeker & Konsorten –Piraten der Hansezeit?« war für das Europäische Hansemuseum aus verschiedenen Gründen ein Meilenstein.

04. August 2020 · 21:32 Uhr

Unser Museum ist mit fünf Jahren eines der jüngeren deutschen Museen. Trotzdem haben wir mit zahlreichen Sonderausstellungen eine bewegte Zeit hinter uns. Jede Ausstellung brachte neue Erfahrungen ins Haus. Mit »Silberglanz und Silbergier«, unserer ersten Sonderausstellung, brachten wir die Sammlung eines norwegischen Unternehmers in Kooperation mit einem der großen norwegischen Museen nach Lübeck. Mit »Pin It – Social Media des Mittelalters« importierten wir die Ausstellung eines niederländischen Museums und zeigten ein Kommunikationsmittel des Mittelalters. »Geld, Macht, Glaube« griff den Zusammenhang zwischen Religion und Geld vor dem Hintergrund der Reformation auf. »Der Konsens – Europas Kultur der politischen Entscheidung« griff ganz bewusst ein Europäisches Thema auf. Beide Ausstellungen wurden durch einen externen Kurator entwickelt und in sechsstelliger Höhe vom BKM gefördert. Mit »Segel, Salz und Silberlinge« haben wir zum ersten Mal erfolgreich eine Ausstellung für Familien im Haus gehabt. Die Kompetenzen und Erfahrungen unseres jungen Hauses und Teams wuchsen mit jedem Projekt.

Mindestens sieben Lerneffekte

Bei dem Projekt über die Piraten der Hansezeit war es gleich ein ganzer Strauß von Erfahrungen und Lerneffekten. Zum ersten war es bisher unsere erfolgreichste Sonderausstellung und mit knapp über 20.000 Besucher:innen auch eine der erfolgreichsten in Lübeck. Sie hatte auch eine beachtliche bundesweite Presseresonanz. Zum zweiten haben wir gemeinsam mit Dr. Gregor Rohmann eine aktuelle und relevante Fragestellung aus der Hansezeit aufgegriffen, nämlich: Was waren die Vitalienbrüder eigentlich? Piraten oder doch Kaufleute mit »Zusatzkompetenzen«?. Drittens hat mit Franziska Evers zum ersten Mal eine Kuratorin aus unserem Haus eine Ausstellung gestaltet. Viertens haben wir wieder einmal zahlreiche Originale als Leihgaben aus anderen Museen erhalten – ein nicht zu unterschätzender logistischer Prozess, den man sich auch erstmal erarbeiten muss. Fünftens haben wir ein vielfältiges Rahmenprogramm angeboten, dass die Botschaften der Ausstellung variantenreich transportierte. Es gab wissenschaftliche Vorträge, Lesungen für Kinder und Erwachsene, Biertastings, Piratenfilme, Podiumsdiskussionen.

Die Themen reichten von moderner Piraterie, Seerecht, Sicherheitspolitik bis zu mittelalterlichen Biersorten, Versicherungen und der Bedeutung von Beutestücken für die städtische Identität. Sechstens haben wir zum ersten Mal eine Ausstellung konzipiert, die zwar nicht explizit für Kinder war, aber parallel zum Verlauf der Ausstellung Spiele und Geschicklichkeitsübungen für Kinder enthielt. So konnten Eltern ein Thema mit Tiefgang genießen, während auch für ihre Kinder ein kurzweiliges Angebot bestand. Nicht zuletzt bleibt diese Ausstellung für uns auch immer mit der Corona-Krise verbunden, die besondere Herausforderungen barg und birgt. Wir haben in dieser Zeit für unseren Museumsbetrieb und das gemeinsame Arbeiten viel gelernt und lernen immer noch. Unter anderem gehörte dazu auch die Intensivierung der digitalen Kommunikation oder der Umgang mit Präsenzkultur und Mobilem Arbeiten.

Der Sitzsack in der Ecke

Vielleicht ist uns deswegen die Ausstellung so ans Herz gewachsen: Sie hat uns als Team und auch als Individuen geformt und weitergebracht. Da können wir nur sagen: „Danke, Störtebeker!“ Eine Sache fehlt allerdings noch: Was neben Biertastings und den vielen Erfahrungen erstmal bleiben wird, ist die kleine Kinderecke im Burgkloster. Sie wurde eigens für Störtebeker entwickelt. Und sie ist nicht nur für die Kinder gut: Bei einem Haus mit so vielen Möglichkeiten ist es wichtig, sich auch als Mitarbeiter:in einfach mal auf den Sitzsack in der Ecke zu werfen und träumend aus dem Fenster zu blicken.

PS: Und falls die Sehnsucht nach Störtebeker unerträglich wird, haben wir die Ausstellung ja auch digitalisiert. Hier kann man sie komplett virtuell begehen!